Mai 2024
Diese Frage wird aktuell immer häufiger in der Öffentlichkeit und in den Medien diskutiert. Es wird kritisch hinterfragt, ob es, angesichts der überfordernden Anzahl von Informationskanälen und den neuen Möglichkeiten im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz, für uns noch möglich ist, echte von gefälschter Information zu unterscheiden.
Leider sind dies Fragen, die weit über die bereits bestehenden Dysfunktionalitäten unserer Demokratie hinaus gehen. Bei einfachen Infrastrukturprojekten sind unsere Entscheidungs- und Umsetzungsmechanismen bereits so gestört, dass wir förmlich in einem Entwicklungsstillstand verharren. Offensichtliche Beispiele sind der Ausbau der erneuerbaren Energien sowie die Erneuerung und der Ausbau der Bahn- und Straßeninfrastruktur. Stets finden sich meist kleinere Interessengruppen, die Ihr persönliches oder ideologisches Interesse weit über das Wohl der Allgemeinheit stellen oder gar von sich behaupten, für die Mehrheit der Bevölkerung sprechen zu dürfen.
Bei Windrädern sind es Landschaftsschützer, die, sicher nicht ohne Grund, den Anblick der Natur in Gefahr sehen, oder Vogelschützer, die einzelne Vogelarten „bedroht“ sehen, oder es sind Anwohner, die Schlagschatten, Lärm oder gar den, wissenschaftlich nicht belegbaren, Infraschall ins Feld führen. Aber auch der Ausbau von Überlandstromtrassen zur Nutzung von Off-Shore-Windparks wird massiv bekämpft, und das, obwohl die offshore Windparks bereits gebaut wurden.
Bei Solaranlagen sind es wieder die sog. Landschafts- und Naturschützer und insbesondere mächtige Einflussgruppen der Energiewirtschaft, die mit stets neuen Regelungen bezüglich der maximalen Größe von privaten Solaranlagen sowie unattraktiven Einspeisevergütungen den schnellen Ausbau der Solarenergie verhindern.
Das Gleiche trifft auch auf den Ausbau des Bahnnetzes zu. Auch hier wird von vielen Gegnern die kurzgedachte Ökologie über die Ökonomie gestellt. Dies ist gut zu beobachten bei den Planungen für eine neue Hochgeschwindigkeitsstrecke von Bielefeld nach Hannover, die auch ein wichtiger Teil einer leistungsfähigeren intereuropäischen Verbindung von Amsterdam nach Berlin wäre. Auch bei diesem Projekt wird von sog. Ökologen z.B. bemängelt, dass für den zu verbauenden Beton zu viel CO2 emittiert wird oder der Energieverbrauch eines Hochgeschwindigkeitszuges viel zu hoch sei und natürlich haben die Anwohner an der Strecke ihr ganz persönliches Problem mit dem Neubau. Ganz nebenbei ist auch dieses Projekt Teil des aktuellen Bundesverkehrswegeplans 2030 (s.u.).
Bedauerlicherweise sind die oben genannten Beispiele noch immer hoch aktuell. Auch 2,5 Jahre Regierungsarbeit einer Dreiparteien-Koalition mit Beteiligung der Grünen hat daran nichts geändert. Dabei sei ausdrücklich erwähnt, dass die genannte Regierung sicher nicht der allein Schuldige an dieser Situation ist. Vielmehr ist es wohl der von unseren Gesetzen geschützte und begünstigte Individualismus eines jeden von uns, den viele unserer Mitbürger mit zunehmender Selbstverständlichkeit wie eine Monstranz vor sich hertragen.
In Vergessenheit geraten sind leider die Grundprinzipien unserer repräsentativen Demokratie und die im Verhältnis zu den Projektlaufzeiten zu geringe Dauer der Legislaturperioden. Die Konsequenz ist, dass ein Gesetz oder eine Maßnahme, die heute von einer Regierung beschlossen wird, von der nächsten Regierung wieder zurückgenommen werden kann, da sie oft bis dahin noch nicht umgesetzt werden konnte.
Das beste Beispiel für die so blockierten Demokratieprozesse ist die B64n - auch hier begannen die Diskussionen bereits in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts. Nachdem der damals noch parteiinterne Streit der CDU-Ratsfraktion (mit absoluter Mehrheit im Gemeinderat), ob denn eine mögliche Trassenführung nördlich oder südlich der bestehenden Straße geführt werden solle, für den Süden entschieden worden war, begann die lange Diskussion, ob eine Umgehung von Land und Bund gefordert werden solle oder nicht. Letztendlich wurden von demokratisch gewählten Ratsmitgliedern, die die Bürger der Gemeinde repräsentierten, verschiedene Beschlüsse für die Forderung des Baus der Umgehungsstraße vom Bund beschlossen. Der letzte im Jahr 2017. Parallel wurde von Landesbehörden (im Auftrag des Bundes) ermittelt, ob eine Straße aus übergeordnetem öffentlichem Interesse sinnvoll und nützlich sei. Dazu sei gesagt, dass es natürlich in unserem Land für eine derartige Prüfung und Feststellung umfangreiche Gesetzes- und Planungsvorgaben gibt. Schlussendlich wurde die Sinnhaftigkeit der Straße als wichtiger Teil der überregionalen Verbindung von Paderborn und Bielefeld nach Münster festgestellt. Darüber hinaus besteht durch die stetig zunehmende Verkehrsintensität eine wachsende Gesundheitsbelastung und Gefährdung der Bevölkerung entlang der bestehenden B64 Trasse.
Zu beobachten war daraufhin, dass die verschiedenen Landesregierungen oft konträr mit der Forderung der Umgehungsstraße gegenüber dem Bund umgingen und es ein ständiges Hin und Her gab, welches sich an der Einstufung der Umgehungsstraßen (Herzebrock-Clarholz, Beelen, Warendorf) im jeweiligen Bundesverkehrswegeplan ablesen ließ. Dadurch wurden aufwendige Planungsgutachten in Auftrag gegeben, die üblicherweise schon 3-5 Jahre nach ihrer Erstellung als nicht mehr aktuell genug verworfen und aufwendig und teuer neu erstellt werden mussten.
Am 3. Aug. 2016 verabschiedete das Bundeskabinett den Bundesverkehrswegeplan 2030, welcher auf Grundlage von Bedarfsplänen und den zugehörigen Ausbaugesetzen Ende 2016 vom Bundestag in Kraft gesetzt wurde. Die Bundesländer sind damit verbindlich verpflichtet, zumindest die in den vordringlichen Bedarf eingestuften Projekte umzusetzen. Dabei ist ein wichtiges Detail, dass auch die Finanzmittel zum Bau dieser Projekte vom Bund bereitgestellt werden.
Die B64n hat in den drei betroffenen Gemeinden sehr unterschiedliche Planungsstände. Die Planung der Umgehungsstraße um Herzebrock-Clarholz ist am weitesten fortgeschritten. Die zuständige Regionalniederlassung von Straßen.NRW in Bielefeld hatte im Frühjahr 2023 die Planungsarbeiten der Straße für Herzebrock-Clarholz mit allen nötigen und aktualisierten Gutachten und Plänen so weit abgeschlossen, dass die übliche Übergabe aller Unterlagen an die Bezirksregierung in Detmold zur Eröffnung des nächsten formalen Schritts, dem Planfeststellungsverfahren, hätte durchgeführt werden können. Allerdings wurden in diesem Moment die Beamten von Straßen NRW per Dienstanweisung zu einem gänzlich unüblichen Schritt aufgefordert: Alle Unterlagen mussten „zur weiteren Prüfung“ an das Verkehrsministerium nach Düsseldorf überstellt werden, angeblich für weitere Prüfungen. Dies ist nach Aussagen von Fachleuten für derartige Planungsprozesse nicht vorgesehen und unnötig, aber es ist offensichtlich, dass der Verkehrsminister des Landes NRW, Herr Oliver Krischer, so vorsätzlich den Prozess aufhalten will. Herr Krischer hat bei diversen Gelegenheiten klar zum Ausdruck gebracht, dass der Bau neuer Straßen mit seiner politischen Ideologie nicht vereinbar sei.
Problematisch am Vorgehen des Ministers ist allerdings, dass es nicht in seine Entscheidungsbefugnis fällt, ob Straßen, Bahnlinien oder Wasserwege, die mit vordringlichem Bedarf in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen wurden, gebaut werden oder nicht. Vielmehr hat ein Landesverkehrsminister die Vorgaben aus dem Bundesverkehrswegeplan umzusetzen, zumal er vom Bund auch über diesen Plan die Finanzierung zugesichert bekommt. Besonders perfide ist bei diesem Vorgehen, dass die in den Planungen erstellten Gutachten nach drei, maximal fünf Jahren ihre Gültigkeit verlieren, womit der Minister sein Ziel, den Straßenbau zu verhindern, wieder über das normale Planungsrecht erreichen könnte. Inwieweit das Vorgehen des Ministeriums bzw. des Ministers gesetzeskonform ist, gilt es noch mit entsprechenden Experten des öffentlichen- und Planungsrechts zu prüfen. Insbesondere weil so die bereits in die Planung geflossenen ca. 1,8 Mio. Euro (Information von Straßen.NRW) vorsätzlich gefährdet werden.
So viel ist sicher, sowohl der Minister als auch Straßengegner, die oft mit Falschinformation versuchen den Prozess zu stören, verhalten sich in hohem Masse demokratiefeindlich und -zersetzend und das, obwohl unser Rechtsstaat ausdrücklich die Möglichkeit vorsieht, im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens über sachlich begründete Klagen gegen jedes öffentliche Projekt vorzugehen. Leider ist es in unserem Land fast normal geworden, durch möglichst „lautes Rufen“ und Lobbyismus die demokratischen Prozesse zu unterlaufen. Selbst überdurchschnittlich gebildete Mitbürger bei der Gegnerschaft sehen den die Demokratie zersetzenden Mechanismus, den sie damit vorantreiben, nicht. Wir können nur hoffen, dass das U.S. Amerikanische Vorbild von Moden und gesellschaftlichen Entwicklungen dieses Mal nicht mit entsprechendem Zeitverzug bei uns Einzug hält. Viele Mitbürger steuern uns mit ihrem Demokratieverständnis leider geradewegs in diese Richtung.
Ingo Steinel Mai 2024
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